19. Jahrhundert

Die bereits im 17. Jahrhundert wieder neu errichtete Kirche fiel abermals kriegerischen Auseinandersetzungen zum Opfer. Auf Mauerresten dieser Kirche wurde 1840, für 1800 Taler, eine neue Kirche, im Fachwerkstil, erbaut. An der Südseite ist heute noch das zugemauerte Rundbugenfenster des Bauwerkes aus dem 17. Jahrhundert zu sehen. Der Kirchbau ist turmlos und das Glockenhaus steht auf einer Anhöhe unweit der Kirche an der Hauptstraße.

Zum Pfarrhaus welches sich ebenfalls an der Hauptstraße befindet sind keinerlei geschichtliche Angaben bekannt. Die zur Pfarrei gehörenden Ländereien wurden an die Einwohner verpachtet.

Im 19. Jahrhundert lässt sich in schriftlichen Quellen viel über Berufe und Handwerk im Ort erfahren. Es ist zu entnehmen, dass bereits 1813 Frau Dorothea Margarete Trefflich als Hebamme tätig war.

1818 ersuchte die Gemeinde Großhettstedt das Fürstliche Amt Ilm um die Erlaubnis zum Errichten einer Gemeindeschmiede - die Erlaubnis wurde erteilt. Der Schultheiß Daniel Weise nahm hierfür beim Kauf- und Handelsherrn Noxen aus Stadtilm ein Vorlehn in Höhe von 150 Reichstalern zu 4% Zinsen auf.

Im Jahr 1820 war als Gastwirt Herr Johann Hermann August Sperber tätig. Auch eine Brauerei wurde um diese Zeit in Großhettstedt betrieben.

1822 wurde durch die Fürstliche Kammer zu Rudolstadt ein Jagdfrohn-Rezess erlassen. Er besagte, dass die Gemeinde zu jeder Treibjagd 30 Mann brauchbare tüchtige Fröhner stellen sollte. Für die Jagdfrohndienste erhielten diese für jeden Tag 1 Groschen und 6 Pfennige. Der Fröhner musste pünktlich, folgsam und für die Zeit der Treibjagd stets zur Verfügung stehen.

Johann Christoph Weiland war 1828 als Schumacher in Großhettstedt tätig.

Aus Kassenbelegen der Gemeindekasse von 1837 ist zu ersehen, dass von den Einwohner Hamster und Maulwürfe gefangen wurde. Für 47 Hamster wurden beispielsweise 23 Taler und für 157 Maulwürfe 8 Taler und 8 Groschen aus der Gemeindekasse gezahlt.

Steuern wurden bereits 1837 durch die Gemeinde erhoben. So mussten Hundehalter für einen Hund im Jahr 4 Groschen Hundesteuer zahlen.

Als Tischler arbeitete 1840 Friedrich Kirsten. Im gleichen Jahr war Albert Scheidt als Glockenläuter bei der Kirche tätig.

Da das Fahren mit Pferdefuhrwerken auf der alten Straße von Weimar nach Ilmenau recht beschwerlich war, wurde eine Verlegung der Straße beschlossen. Die Neue Straße wurde 1838, als sogenannte Kunststraße bezeichnet, fertiggestellt.

1843 wurde in Großhettstedt Brüdengeld kassiert.

Gegen ein Entgelt konnten die Einwohner von Großhettstedt Obst von der Gemeinde erwerben.

Großhettstedt besaß 1848 eine eigene Wach- und Sicherheitsgarde. Zweck der Wache war es die Sicherheit des Ortes im Allgemeinen, sowie die der einzelnen Bewohner und deren Eigentum vor Gefahr zu bewahren. Aus jedem Haushalt hatte sich eine männliche Person zum Wachdienst bereitzuhalten. Sie hatten sich entsprechend der Wachordnung zu verhalten.

1850 war O. König. Lehrer in Großhettstedt.

1853 hatte Großhettstedt eine Armenkasse. Die Einnahmen bestanden aus Strafgeldern und Gebühren. Die eingenommenen Gelder wurden für die Pflege von Kranken und den Erwerb von Medikamenten verwendet.

In der Zeit von 1856 bis 1877 führe Großhettstedt eine Separation durch. Die durch Erbteilung immer kleiner gewordenen Flurstücke wurden wieder zu größeren Flächen zusammengeführt. Bessere und schlechtere Bodenwerte wurden finanziell ausgeglichen.

Interessant ist ein Testament aus dem Jahre 1860:

Da ich seit mehreren Jahren wegen meiner körperlichen Leiden, bei Luise Nicolai allhier vielfache Unterstützung und Hilfe gefunden und dafür erkenntlich zu sein, so will ich derselben nach meinem Tode meine wenigen Habseligkeiten, wie sie hier unten verzeichnet sind, an die selbe übermachen.

1. den Brotschrank 11. ein Federbett
2. ein kleines Schränkchen 12. zwei Bettüberzüge
3. das Schlüsselbrett 13. zwei Betttücher
4. eine große eine kleine Gülde 14. eine Lade und was darin ist
5. eine Wasserbutte 15. einige Kleidungsstücke als
2 Röcke, 2 Gamaschen, ein Mieder
und 1 Schürze
6. 4 Fäßerchen 16.ein Dreifuß und ein Sessel
7. eine große und 2 kleine Mullen 17. 5 Mehlsäcke
8. zwei hölzerne Backschüsseln 18. eine Laterne
9. eine Kuchenrolle und zwei Schnitzbretter 19. das übrige was bei der Gemeinde steht
10 drei Hacken und eine Mistgabel  

Großhettstedt, den 4. März 1860

Einige Utensilien die nicht auf vorstehender Seite mit verzeichnet sind sollen ebenfalls nach meinem Tode an Henriette Rathen als würdige Erkenntlichkeit für freundliches Betragen gegen mich, abgegeben werden.
Großhettstedt, den 4. März 1860

1 Federbett ein Bettdrilling
neun Bettbezüge neun Kopfbezüge
ein Betttuch

neun Kuchenbleche

Berthold Sigismund beschreibt Großhettstedt in seinen Aufzeichnungen von 1862 wie folgt:

Pfarrdorf, 1 St. nordöstlich von Stadtilm, am linken Ufer der Ilm, 1068 F. üb. Meer gelegen. Das Thal ist hier nach N. u. O. von kahlen Muschelkalkbergen, in Süden von den weit hinauf urbar gemacht und theilweis mit Wald begrünten Leiten und Höllbergen eingerahmt. 31 Wohnh. von stattlichem Ausehn. Die Kirche besitzt 11¾ Acker Wiesen und ¾ A. Feld. Das jetzige Kirchgebäude, 1840 errichtet, kostet 1800 Thaler; die Glocken hängen in einem Glockenhause. Eine Schule. Die Gemeinde besitzt 1½ Acker Feld, 3¼ Wiese, 4 Gärtchen, 8-10 A. Kieferwald. Einw. 192 (91+101) in 46 Fam. 11 Handwerker, die alle Ackerbau treiben. Ihr Jahrbrod bauen 15, 11 Weniger. Im Gemeindehause wohnen 7 erwachsene Ortsarme und 12 uneheliche Kinder. 7 ganze und 6 halbe Anspänner, 2 Hintersättler, 8 Grundbesitzlose. Gasthof mit ansehnlicher Brauerei. - Die Flur zum Theil auf Sandstein, zum Theil auf Muschelkalk ruhend, hat ein milderes Klima als Stadtilm und viele gute Felder, sie umfasst 1800 A. (930 A. urbares Land, 120 Wiese, 250 Kieferwald, 500 Lehde). Die Güter kommen an die meistbietenden Kinder. - Viehbestand: 16 Pferde, 84 Rinder, 830 Schafe, 30 Ziegen, 71 Schweine. - Geschichtl. A.N.: Hadastat, Hestete (1296), Hetzstedt, Hetstedt, Heitestede. Eine adelige Familie von Hettstette wohnt hier. Das Patronatrecht wurde als Hermann v. Hettstette Abt in Paulinzella war, diesem Kloster abgetreten. Später kam das Gut in Besitz der Herren von Entzenberg; 1656 wurde dasselbe um 400 meißnische Gulden an den Amtsschösser Landgraf verkauft. Der Siedelhof war 1692 ganz verfallen. - Im schwarzburger Hauskriege wurde H. 1448 stark geplündert. - Unweit des Ortes eine Wüstung Osthofen (Osthofin) 1328 erwähnt; man findet noch Baureste auf dem Grundstücke der kleinhettstedter Schule. - Ein Berg der Flur heißt der Osterberg..[1]

Als Gänsehirte war 1864 Friedrich Knoch in Großhettstedt beschäftigt.

1869 hat Albert Morgenroth die Gemeindeschmiede in Großhettstedt geführt.

Zum Ehrenbürger von Großhettstedt wurde 1871 der Topograph und Hysometer A. Fils Major a.D. aus Ilmenau ernannt.

1873 wird Friedrich Graßau, als Spritzenmeister der Spritzenmannschaft, durch die Gemeindekasse für seinen Einsatz entlohnt.

In Großhettstedt wurden in dieser Zeit auch Schafe von anderen Gemeinden gehütet und durch die Schwämme getrieben. Hier eine Aufstellung der fremden Schafe die in Großhettstedt gewaschen wurden:

Anzahl Besitzer Ort Taler Groschen
150 Johann Schreiber Wülfershausen   6
800 Gemeinde Witzleben 1 8
350 Hübner Wülfershausen   14
200 Wiprecht Wülfserhausen   18
1000 Gemeinde Ellichleben 1 16
150 Becher Kleinliebringen   6
1000 Gemeinde Wüllersleben 1 16
350 Gemeinde Nahwinden   20
1100 pastor Solzdorf 1 22
450 Freissassen Döllstedt   18
300 Heyder Großliebringen   12
800 Gemeinde Großliebringen 1 8
50 Steller Großliebringen   2
800 Gemeinde Ehrenstein 1 8
7650  Gesamt   12 20

Der jeweilige Schäfer wohnte im Schäferhaus. Von den Schafhaltern wurde Herdenschlaggeld gezahlt. Für 104 Nächte wurde beispielsweise 26 Taler berechnet.

1878 war Friedrich Trefflich Maurermeister und Steinbruchbesitzer in Großhettstedt.

In Großhettstedt lebten 1885 nach einer Volkszählung 213 Einwohner.

Großhettstedt hatte eine eigene Schule die sich neben dem Kirchgebäude befindet und über die Jahre mehrfach umgebaut wurde. 1886 besuchten 36 Kinder die Schule. Die Eltern mussten 58,50 Mark Schulgeld pro Jahr entrichten. Der Lehrer erhielt in einem Quartal 65,92 Mark Besoldung aus der Gemeindekasse.

 Ab 1895 wurde für geschlachtete Haustiere (Rinder, Ziegen, Schafe und Schweine) eine Trichinenuntersuchung angeordnet. Die hierfür erhobenen Gebühren mussten an die Gemeindekasse entrichtet werden.

Im gleichen Jahr gründeten die GEmeinden Dienstedt, Hettstedt und Achelstädt einen Hilfsverein. In der Vereinssatzung wurde festgelegt, wie die Hilfsleistungen bei Bränden und Katastrophen zu erfolgen hatten.

1895 fand in Großhettstedt eine Volkszählung statt. Großhettstedt hatte 205 Einwohner, An 34 Häusern waren Hausnummern angebracht.

Die Königliche Eisenbahndirektion schickte an die Gemeinde Großhettstedt 1898 ein Schreiben mit dem Ersuchen zur Genehmigung des Baues einer Eisenbahnlinie von Erfurt nach Rudolstadt. Diese Eisenbahnlinie sollte durch Großhettstedt geführt werden. Das Ersuchen wurde 1907 wiederholt, es kam jedoch nie zum Bau der Eisenbahnlinie.

Wagnermeister war 1899 E. Hünger aus Großhettstedt.

Von Stadtilm nach Groß- und Kleinhettstedt wurde durch die Kaiserliche Oberpostdirektion eine Telefonleitung verlegt.

Großhettstedt gehörte mit zu dem Verein der Arbeitercolonie Thüringen in Geilsdorf. Hier wurden Straffällige zur Arbeit herangezogen.

Quellen
  1. : Berthold Sigismund: Landeskunde des Fürstenthums Schwarzburg-Rudolstadt, Theil 2. Ortskunde der Oberherrschaft, 1862, S. 80